Presseerklärung:
Gleichgewicht zwischen Körper und Geist
In einem knappen Aufsatz, der in der Reihe Concept Essay
der Zeitschrift Nature vom 31 Januar 2002 erscheint, stellt
Victor Smetacek, Professor der Biologischen Meereskunde am
Alfred-Wegener-Institut, eine einfache, aber tiefgreifende
These über das Konzept Gleichgewicht zur
Diskussion.
Smetaceks Thesen in drei Sätzen:
Jede körperliche oder geistige Aktivität ist ohne
Berücksichtigung des Gleichgewichts sinnlos.
Der Gleichgewichtssinn ist sowohl körperlich als auch
geistig stets präsent und verbindet daher Körper
und Geist.
Der menschliche Verstand ist eine Fortsetzung des aufrechten
Ganges.
Die These wird mit wohl bekannten und nachvollziehbaren Tatsachen
begründet.
Smetaceks Argumente in Kürze: Unsere im Tierreich einmalig
anfällige Körperkonstruktion senkrechte Wirbelsäule
auf geraden Beinen setzt einen besonderen Gleichgewichtssinn
voraus.
Dieses spezifisch menschliche Verhältnis zur Schwerkraft,
das mit der Entwicklung des aufrechten Ganges einhergegangen
ist, wurde im Laufe der Evolution allmählich verfeinert
und auf die Arme und Hände und schließlich auf
abstrakte Gedankengänge übertragen.
Smetacek betrachtet die menschliche Evolution als Stadien
in der Entwicklung des Gleichgewichtssinns: Zuerst lernten
wir auf zwei Beinen zu laufen, dann Werkzeuge in den Händen
zu balancieren und schließlich mathematische Gleichungen
im Kopf aufzustellen.
Der Gleichgewichtssinn basiert ebenso auf Sinnesorganen wie
die geläufigen fünf Sinne und verhält sich
zu Schwerkraft wie das Sehen zum Licht und Hören zum
Schall.
Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Während
Licht- und Schallfelder stets variieren und auch trügen
können, bleibt die Schwerkraft konstant und verläßlich.
Sie stellt sowohl den sicheren Halt im Leben dar (die allgegenwärtige,
ordnende, gestaltende und daher höhere Kraft) als auch
die Grundlage der anfänglichen und modernen Naturwissenschaften
(die Genauigkeit der Waage, die exakten Gesetze der Schwerkraft,
das Raumzeitkontinuum der Relativitätstheorie und schließlich
die Unschärfe Relation am Rande der Schwerkraft).
Die These ist an die breite Öffentlichkeit gerichtet,
denn sie öffnet einen bisher übersehenen Weg, um
die Beziehung zwischen Körper und Geist eine zentrale
Frage des Menschseins - anzugehen.
Der Wegweiser ist das Konzept Gleichgewicht, das über
die gesamte Breite des menschlichen Wirkens hinweg sinngebend
ist: z.B. bei der Bewegung des Körpers (Tanz und Sport),
dem Bau von Gebäuden (Architektur), der Bilanzierung
von mathematischen Gleichungen (Wissenschaft), dem Richten
einer Ungerechtigkeit (Recht und Ethik), das Ringen zwischen
Emotionen und Verstand (Psychologie), um nur einige Beispiele
zu nennen.
Die Bedeutung des Gleichgewichts ist so selbstverständlich,
dass es schlicht übersehen worden ist.
Der alltägliche Sprachgebrauch: VerStand, Begreifen,
Begriff, Aufrichtigkeit,Abwägen, Gleichgewicht der Kräfte,
Gleichung, Ausgleich, Gerechtigkeit u.a., stellt diese These
unter Beweis.
Download als PDF-Datei
|
|
|