Victor ist im Himalaya aufgewachsen. Er ist der Sohn eines Sudetendeutschen, der vor den Nazis floh, als Hitler sich 1938 das Sudetenland einverleibte. In Kalkutta hatte er als Geschäftsmann Erfolg und heiratete eine Inderin. Nach Victors Geburt 1946 eröffneten sie ein Hotel im gebirgigen Vorland des Himalaya. Victor liebte die Natur über alles. Umso größer war seine Freude, als mit 18 ein Stipendium bekam, um Meeresbiologie an der Universität Kiel zu studieren.

Auf einem Silvesterball lernte er Karen kennen. Ihr gefielen Victors dunkler Teint und seine schwarzen Locken sofort. Aber ihr Vater wollte nicht dulden, dass sie einen Ausländer liebt. Als Victor für einige Zeit seine Familie besuchte, kam es zu einem riesigen Krach zwischen Karen und ihrem Vater. Nachdem Karen über eine Zeitungsannonce ein möbliertes Zimmer gefunden hatte, zog sie kurzerhand aus. Victor freute sich sehr, als er zurückkam, staunte aber auch über ihre Entschlossenheit und ihren Tatendrang.

Victor freute sich sehr, als er zurückkam, staunte aber auch über ihre Entschlossenheit und ihren Tatendrang.

Dieselbe Karen liegt jetzt nahezu unbeweglich im Bett. Das Sprachzentrum ihres Gehirns ist zerstört und die rechte Hälfte ihres Körpers funktioniert nicht mehr. Hand und Arm hängen kraftlos herab, die rechte Gesichtshälfte ist schlaff, sie kann das Auge nicht mehr schließen. Hilfesuchend sieht sie Victor an.
Er umarmt seine Frau und sagt: "Wir schaffen das schon." Sie vertraut auf ihn. Alles wird gut werden. Victor erkennt an ihrem Gesichtsausdruck und an ihren lebhaften Augen, dass sie ihn versteht

Die Smetaceks klammern sich an eine Hoffnung: Dass nur ein Fettklümpchen eine Ader in Karens Hirn verstopft. Das würde sich nach kurzer Zeit von selbst auflösen, hat einer der Ärzte erklärt, und die Lähmungen gingen dann zurück. Doch die Lähmungen bleiben. Karens kann nicht sprechen, aber verstehen und lesen.

Victor hat eine Idee: Er glaubt, dass sie schreiben kann. Karen versucht, mit der linken Hand zu schreiben. Aber sie bringt nur sinnlose Wörter aufs Papier. Sie krakelt: "OHß... Schubert... Fiel".
Entsetzt sah ich Victor an: Ich wusste nicht mehr, wie man schreibt. Warum ich gerade auf diese Wörter kam, und weshalb ich sie so schrieb, wusste ich nicht. Mir war jetzt ganz klar, dass ich weder sprechen
noch schreiben konnte.

Die Smetaceks müssen einsehen: Es war kein harmloses Fettklümpchen. Die Ärzte wagen eine andere Erklärung. Als Karens Kopf gegen die Autoscheibe prallte, muss sich die Innenwand der Halsschlagader von der äußeren Hülle losgeschüttelt haben. Es entstand eine Vernarbung, die nach mehreren Tagen den Blutfluss in der Schlagader gestoppt hat. So gelangte zu wenig Sauerstoff in die linken Gehirnhälfte. Deshalb kann Karen die rechten Körperhälfte nicht mehr steuern - und nicht mehr sprechen.

zurück

Bilder und Text mit freundlicher Genehmigung
von Readers Digest

weiter